Info
Seit dem 19. April 2017 setzen die Graz Linien zwei 12m lange Elektrobusse auf der Linie 50 und seit 14. November 2017 zwei 18m lange Gelenkbusse auf der Linie 34E des eigenen Busnetzes im Fahrgastbetrieb ein.
Nach jeder Runde wird an den Endstationen Zentralfriedhof (Linie 50) bzw. Theyergasse (Linie 34E) über Stromabnehmer am Dach ultraschnell geladen. Zum Praxistest der ultraschnellen Nachladung der SuperCaps während des Fahrgastwechsels wird je Linie an einer weiteren Haltestelle geladen, obwohl dies für einen fahrplanmäßigen Betrieb nicht immer erforderlich ist.
Die direkten Auswirkungen sind die Reduktion des Energieverbrauchs um ca. 80%, der lokalen Schadstoffemissionen auf null und eine signifikante Verringerung der Lärmbelastung.
Folgende Projektziele wurden bisher erreicht:
- Inbetriebnahme von Teststrecken für vollelektrische emissionsfreie Busse
- Umsetzung des Konzeptes der schnellen Ladung an Haltestellen
- Nachweis der Praxistauglichkeit der innovativen SuperCap-Technologie.
- Positive Beurteilung der Eignung dieser Technologien für Graz Linien
Die Evaluierung des Testprojektes erfolgt projektbegleitend. Eine bereits durchgeführte Fahrgastbefragung hat eine sehr positive Bewertung und ein großes Ausmaß an Zustimmung zum Elektrobus als zukünftige Alternative im öffentlichen Verkehr ergeben.
Über Graz Linien
Graz ist mit 280.000 Einwohnern die Hauptstadt des Bundeslandes Steiermark. Im Einzugsgebiet wohnen 700.000 Personen. 170.000 Personen kommen täglich aus dem Umland in die Stadt Graz. Graz Linien sind der führende Mobilitätsdienstleister der Region.
Als Sparte der Holding Graz und kommunaler Dienstleister befördern Graz Linien im innerstädtischen Linienverkehr mit 85 Straßenbahnen auf 61,2 km Netzlänge sowie mit 160 Dieselbussen und einer Buslinienlänge von 415 km über 115 Millionen Menschen pro Jahr.
Die negativen Folgen des Dieselbusbetriebs sind ein hoher Dieselverbrauch und davon abgeleitete Umweltbelastungen durch Abgase und Lärm im urbanen Bereich.
Die Lösungsoptionen
Es gibt keine optimale Lösung für alle Anwendungsfälle. Die für den jeweils vorliegenden Anwendungsfall sowohl technisch als auch kaufmännisch bestmögliche Lösung ergibt sich aus der Analyse der Projektgrundlagen als erste Stufe eines Einstiegs in die Elektrobus-Materie.
Die Arten der Energieversorgung von elektrisch angetriebenen Bussen reichen von Fahrdraht- oder punktuellen Pantograph- und/oder Nachtladesystemen bis zu Brennstoffzellen mit H2-Versorgung. Dabei können als Energie/Leistungsspeicher Akkumulatoren (z.B. Li-Ion) oder Superkondensatoren (SuperCaps) am Fahrzeug eingesetzt werden.
Die Elektrobusse und Ladestationen im Test
In Graz handelt es sich nicht um eine Wiederholung der in anderen Städten durchgeführten Tests von konventionellen Batteriebussen mit Batteriepacks hoher Kapazität und Nachtladung, deren Ergebnisse bekannt sind. Graz Linien setzt auf innovative Superkondensatoren (SuperCaps), die die gesamte Traktionsenergie liefern. SuperCaps zeichnen sich durch ein ultraschnelles Lade- und Energierückspeiseverhalten aus, bieten umweltrelevante Vorteile im Lebenszyklus sowie ein robusteres Verhalten als Batterien im Alltagsgebrauch bei einer garantierten Ladezyklenzahl von einer Million. Die Ladung der SuperCaps erfolgt dabei ultraschnell über an Haltestellen errichtete Ladestationen und den Stromabnehmern am Fahrzeugdach.
Die Ziele der Holding Graz wurden durch eine öffentliche und weltweite Interessentensuche gemäß Europäischem Vergaberecht, veröffentlicht über die TED-Vergabeplattform, zur Durchführung von Fahrzeugtests von E-Bussen und stationären Ladeeinrichtungen mit Präqualifikation von Interessenten umgesetzt.
12m-Elektrobusse und Ladestationen von Chariot
Dieser Bus (siehe Abbildung 1) wird von HIGER in China hergestellt und ist mit SuperCaps von AOWEI ausgestattet. Die Vermarktung in Europa und die technische Unterstützung erfolgt durch das israelisch/ bulgarische Unternehmen Chariot Motors in Sofia.
Abbildung 1: Chariot Motors Elektrobus auf Linie 50
Systemdaten
- 3 Doppel-Schwenktüren
- Vollelektrischer Bus mit elektrischer Heizungs- und Klimaanlage
- Portalachse von ZF mit Direktantrieb durch Radnabenmotoren
- SuperCap mit 32 kWh Kapazität
- Durchschnittlicher Energieverbrauch von ~ 1,1 kWh/km
- 3,0 Minuten Ladezeit für 7 km (fahrerInnenabhängig)
- Großer Betriebstemperaturbereich des SuperCaps (-40°C bis +60°C), Klimatisierung nicht erforderlich
- Der SuperCap ist in einem widerstandsfähigen druckdichten Stahlcontainer (siehe Abbildung 2) mit geregeltem Überdruckabbau situiert und mit einem zusätzlichen automatischen Feuerlöschsystem, das auch manuell ausgelöst werden kann, ausgerüstet.
Abbildung 2: SuperCap Container im Heck
Ladestationen an ausgewählten Haltestellen
Die Buslinie 50 fährt vom Hauptbahnhof bis zum Zentralfriedhof. Die mit einer Ladestation ausgestattete End-Haltestelle befindet sich am Zentralfriedhof. Eine weitere Ladestation ist an der Haltestelle CityPark (siehe Abbildung 3) aufgestellt.
Abbildung 3: Stationäre Ladeeinrichtungen am City Park
Eine Nachtladung ist nicht erforderlich, daher ist im Buscenter keine Ladestation vorgesehen.
18m-Gelenk-Elektrobusse und Ladestationen von CRRC
Dieser Bus (siehe Abbildung 4) wird von Zhejiang CRRC Electric Vehicle Co. Ltd., Ningbo, in China hergestellt und ist mit SuperCaps von CRRC ausgestattet. Die Vermarktung in Europa erfolgt durch CRRC Urban Traffic Europe, Budapest.
Abbildung 4: CRRC Elektrobus auf Linie 34E, Endhaltestelle Jakominiplatz
Systemdaten
- 4 Doppel-Schwenktüren
- Vollelektrischer Bus mit elektrischer Heizungs- und Klimaanlage
- Direktantrieb durch einen CRRC-Motor und eine ZF-Achse
- CRRC SuperCap mit 25kWh Kapazität
- Range Extender Li-Ion-Batterie mit 25kWh Kapazität
- Durchschnittlicher Energieverbrauch von ~ 1,4 kWh/km
- 4 Minuten Ladezeit für 7,2 km (fahrerInnenabhängig)
- Großer Betriebstemperaturbereich des SuperCaps, Klimatisierung ist nicht erforderlich
Ladestationen an ausgewählten Haltestellen
Die Buslinie 34E fährt vom Jakominiplatz bis zur Theyergasse. Die mit einer Ladestation ausgestattete End-Haltestelle befindet sich an der Station Theyergasse. An dieser Ladestation wird der SuperCap sowie bei Bedarf die Range-Extender Batterie geladen. Eine weitere Ultrafast-Ladestation ist an der Haltestelle Museum der Wahrnehmung (siehe Abbildung 5) mit je einer Ladesäule für beide Fahrtrichtungen. Der Ladevorgang an der Haltestelle Museum der Wahrnehmung ist in Abb. 6 wiedergegeben.
Abbildung 5: Stationäre Ladeeinrichtungen an der Haltestelle Museum der Wahrnehmung
Abbildung 6: Ladevorgang an der Haltestelle Museum der Wahrnehmung
Betreibererfahrungen
Die wesentlichen qualitativen Herausforderungen und Erfahrungen in diesem Testprojekt sind:
- Multikulturelles Projektmanagement mit Partnern aus Bulgarien, Israel, Ungarn und China
- Besonderheiten von Arbeiten im öffentlichen Raum, Platz für Ladestationen, Genehmigung
- Verschiebung von Lieferterminen
- Ergonomische Mängel beim Fahrerarbeitsplatz
- Sehr lange Entscheidungswege über China für jede Änderung
- Schwierige Werkstättensuche für die Fehlerbehebung und gesetzliche Untersuchungen
- Einplanung genügend interner Testzeiten vor dem Einsatz im Linienbetrieb mit Fahrgästen
Ausblick
Bis 2030 sollen gemäß dem EU-Weißbuch die Klimagasemissionen aus dem Verkehr um 40% gesenkt werden, bis 2050 sind es 100% Prozent. Im Zuge der geplanten Ersatzbeschaffungen von Bussen ab 2020 sollen die Vorgaben der Dekarbonisierung und die Ergebnisse der Evaluierung dieser Testergebnisse und von weiteren Tests in die Beschaffungsstrategie integriert werden. Um eine im Sinn der EU- und stadtpolitischen Vorgaben nachhaltige Lösung zu erreichen, stehen für Graz Linien ausschließlich vollelektrisch betriebene „Zero Emission“ Fahrzeuge im Blickfeld der Zukunft.